Isadoras Ende ~ Brief des Sir Ulrich an einen Freund
Mein Lieber Freund,
wenn ich Euch diese Zeilen Schreibe, bedeckt kalte Asche den Boden Beringens. Asche, die kurz zuvor noch ein Mensch gewesen ist. Denn Isadora, die sie die Füchsin nannten, ist endgültig aus unseren Reihen geschieden.
Wie es dazu kam, dies will ich hier schildern. Denn Kunde von der ersten Verhandlung über ein Mitglied der Eisernen Faust wird bald die Heimat erreichen und nicht immer war der Unterton eingehender Neuigkeiten dazu angetan, dem unbeteiligten Empfänger auch wirklich die rechte Botschaft zuteilwerden zu lassen. Gerade in Anbetracht der Tatsache, um wen es hierbei ging und wichtiger noch, welche es waren, die am Ende gar Partei für die Angeklagte ergriffen, muss ich für Aufklärung sorgen bevor Volk und Herrschaft in die Irre geführt werden. Denn Ihr wisst, sind Behauptungen einmal gesprochen und noch so krude Ansichten erst einmal in die Welt gesetzt, so ist es erheblich schwieriger, der Wahrheit erst hernach Gehör zu verschaffen. Und nichts als die Wahrheit sollt Ihr erfahren und mit Euch das Land.
Wie Euch und auch anderen bereits bekannt ist, fand ich mich nur wenige Tage vor der
jährlichen Metsonnenwende in Beringen ein um, gebührend meinem Range in der Führung
der Faust, im Triumvirat über den Fall Isadoras zu Gericht zu sitzen. An meiner Seite waren Jon, den der Freiherr Liam zum ersten Richter seines Landes erhoben hatte und Fabster, nach wie vor wohl einer der Drahtzieher im Schattenpakt, eingesetzt, den Sachverhalt zu ergründen und der Gerechtigkeit das Wort zu sprechen. Die drei großen Fraktionen der Eisernen Faust, denn nichts geringeres war es als die Verhandlung über eine, deren Vergehen nichtmehr nur von den eigenen Leuten zur Sühne gebracht werden konnte, sondern über die einzig eine höhere Instanz entscheiden konnte. Wie hoch diese Instanz am Ende sein musste, nun, dies sollte sich erst noch zeigen.
Die Anklagepunkte waren derweil alles andere als banal. Zunächst warfen die Beringer der Füchsin vor, das Herz des armen Jondar Schwarzbart, jenes ersten Hofalchimisten des Herrn Liam, nach seinem Tode an sich gebracht und sodann wilden Schwarzpelzen überantwortet zu haben, auf dass diese Schlimmstes damit treiben mochten. Eine Schuld, die Isadora nichts minderes als die Unversehrtheit ihres Körpers gekostet hätte. Mein Anklagepunkt indes lautete auf die Mittäterschaft, ja nach objektivem Dafürhalten sogar auf das Aushecken jenes finsteren Planes, mit dem sich manch eine schwarze Seele vor Jahren einen allzu derben Scherz zulasten keines geringeren Gutes als meiner Würde selbst erlaubt hatte. Ihr wisst worauf ich anspiele, daher möchte ich Euch nicht mit einer Revision jener schändlichen Tat langweilen. So schlimm das Vergehen, so milde forderte ich meinen Schaden beglichen. Denn was ist das Augenlicht von einer wert, die sich ohnehin im Schatten verdingt gegen den strahlenden Namen meines Hauses. Der letzte Anklagepunkt jedoch durfte kein Hoffen auf Gnade zulassen. Denn zur Last wurde kein niedrigeres Vergehen gelegt, als dass die Angeklagte willfährig dem Leben selbst entsagt hatte und sodann als Wiedergängerin unter den Menschen weilte.
Die Beschuldigte hatte sich nach dem vorangegangenen Schriftwechsel, welcher nach den
Geschehnissen in Zweifleck, jenem dubiosen Stützpunkt des Schattenpaktes, die Gemüter
erhitzt hatte, in der Ausweglosigkeit der Situation aus eigenem Antrieb gestellt. Mit kleinem Geleit traf sie nur kurz nach mir selbst am Ort des Gerichts ein. Ihr Beistand sollte Imanus sein und schlau hatten sie dies ersonnen, denn mit Eifer und Begabung erreichte er vieles für seine Schwester. Auch Fabster war zugegen, denn schließlich war das Richteramt an ihn gefallen und auch Rauch war dort, dieser jedoch nicht in Funktion als Bruder der Schatten sondern als neutraler Beobachter in seiner neuen vermeintlich gewichtigen Position in Blutgart.
Anstatt nun demütig vor die Versammlung zu treten, sprach Arroganz aus jedem ihrer, der Beschuldigten, Blicke nachdem das Tor passiert war. Wenn Ihr mich fragt, so hatte sie niemals wirklich vor, ein gerechtes Urteil zu erfahren. Denn dazu hätte sie sich ihrer Schuld bewusst sein müssen und beileibe, ihr einziges Bewusstsein war jenes, dass sie sich aus den Anschuldigungen herauszuwinden gedachte um daraufhin mit reinerem Leumund weiter ihrer verfänglichen Werke nachzugehen.
Als wir dann unsere Plätze einnahmen und der Vogt die Anklage verlas, bestätigte sich mein erster Eindruck. Selbstgerecht wies Isadora sämtliche Anschuldigungen von sich. Kein Wort der Reue, nicht einmal Mitgefühl mit dem verblichenen Jondar, immerhin zu Lebzeiten ein Mitglied des Schattenpaktes wie sie selbst, sollte ihr über die Lippen kommen. Nur zum Abstreiten aller der ihr zu Last gelegten Taten öffneten sich diese und hämisch grinsend, stumm herausfordernd wanderte ihr Blick finster und ergründend über die Richter. Ihrer selbst immer sicherer werdend folgte sie der Investigation des Gerichts und Zufriedenheit ließ sich nicht weiter verbergen, als offenbar wurde, dass die ersten beiden Anklagepunkte wohl nicht zu einer Verurteilung gelangen würden, denn wortgewaltig wurden alle Indizien und Beweise so lange in Frage gestellt, bis dass den Richtern Willkür vorgeworfen hätte werden können, hätten sie auf deren Eindeutigkeit weiter beharrt.
Und als wäre dies nicht genug, so musste ich mir allenthalben den Vorwurf der Befangenheit gefallen lassen. Dass gerade Rauch diese Anschuldigung aussprach, zeugt deutlich von seiner niemals wirklich existenten Neutralität. Ein Winkelzug, zu wohlersonnenem Zeitpunkt vorgetragen. Nicht nur in der Sache selbst fehlte den Worten jegliches Gewicht. Denn was ich bis zu diesem Zeitpunkt getan hatte war nichts anderes als die Ausübung einer ordentlichen Befragung, wobei ich natürlich auch nicht zögerte, die Füchsin direkt mit der ihr angetragenen Schuld zu konfrontieren. Umso lächerlicher war der Vorwurf zudem, da ein Mitglied des Schattenpaktes selbst als eine von drei Stimmen das Urteil fällen sollte. War Fabster demnach nicht bereits grundsätzlich befangen? Doch was hätte eine Diskussion anderes genutzt als das
Gericht zu ermüden und die Beschuldigte so zu bevorteilen. Es zeigte sich schnell, wie tief ihr Lügengebilde bereits in den weichen Herzen manch einfacher Gemüter gewurzelt hatte. Denn Rauch empfing nicht etwa Zweifel und Widerspruch sondern sogar Zustimmung aus dem Auditorium. Besonnen gebot ich der Posse Einhalt, noch bevor das Verfahren darunter gelitten hätte und übertrug meine Stimme im Urteilsspruch des Zweiten Anklagepunktes einer Person, der wohl alle Anwesenden nichts minderes als die kühle Analyse des Vorgetragenen zutrauen konnten. Brunhilde sollte ohne Zwang und frei die Entscheidung Hirschfurtens in der Faust aussprechen, was sie später auch tat.
So war es dann der dritte und gewichtigste Anklagepunkt über den wir lange und eindringlich sprachen. Denn während die Beweise zu Beginn nur Aussagen aus bestenfalls zweiter Hand gewesen und die eigentlichen Zeugen fern und nichtmehr vorzuladen waren, lagen uns zum Vorwurf die Wiedergängerei hingegen manche Artefakte vor, die eine Schuld nahezu lückenlos anzeigten. So war es offensichtlich, dass den Hals der Beklagten eine durchgehende Narbe zierte, ein klares Indiz für die im Raum stehende Behauptung, der Kopf wäre Isadora abgeschlagen worden. Dass sie dies überhaupt offenbarte entsprang zudem einer sehr sonderbaren Situation. Denn hatte sie zunächst meist hämisch grinsend vor uns gesessen und das Reden Imanus überlassen, so wurde sie in dieser Lage, konfrontiert mit der Anschuldigung, vehement und zeigte ihren Hals offenkundig gegen den Willen ihres Verteidigers. Die Art wie sie dies tat ließ keinen Zweifel daran, dass ihre geistige Gesundheit zu diesem Zeitpunkt bereits lange erkrankt gewesen sein musste. Und dennoch, mit vielen Worten wurde daran gearbeitet, Zweifel an der Validität des Beweises zu untermauern. Und am Ende konnte nun niemand aus den Reihen der Rechtschaffenden widerlegen, dass es eben keine tödliche Wunde hätte sein müssen. Auch die Maske der Beklagten, nach der man ihr
den Namen die Füchsin gegeben hatte, konnte der eindeutigen Geschichte ihrer Auffindung zum trotze nicht sicher als die Isadoras bestimmt werden. Oh ich sage Euch, wäre nur dieses Mal ein Magier anwesend gewesen oder zumindest ein Alchimist, wir hätten den Beleg gehabt, dass die Tote der man dieses kleine Stück Leder entwendet hatte niemand anderes als die Angeklagte gewesen sein musste. So aber konnte auch dieses Indiz nichts Endgültiges beweisen.
Der mächtigste Beweis jedoch war ein Brief, der auf ungewöhnlichem Wege und doch ohne
irgendein Recht zu brechen in die Hände Kensons und damit nach Beringen gelangt war. Es war unbestritten der Brief Isadoras an ihre leibliche Schwester und in den düsteren Zeilen offenbarte sie sich. Insgeheim verfluchte sie sich wohl, so unvorsichtig Rechenschaft über all die Dinge gegeben zu haben, die man ihr an jenem Tage zur Last legte. Und auch Imanus schien sofort zu erkennen, dass die geschriebenen Worte nichts anderes waren, als ein Geständnis der schlimmsten Verfehlung seiner Bundesgenossin selbst. Wer in den Schatten wandelt versteht sich jedoch auf Täuschung und so riefen die Beklagte und ihr Verteidiger eine neue Herangehensweise auf. Denn ohne das eigene Geständnis überhaupt abzustreiten
verwickelten sie die Versammlung in eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Art, wie Kenson an den Brief gelangt war und ließen sich lange darüber aus, dass es niemandem der anwesenden zustände, überhaupt Einblick in die tiefsten Gedanken der Verfasserin zu erhalten. Und so erreichten sie mehr als sie sich seit Verlauten der Anklage jemals hätten erhoffen dürfen. Von Mitgefühl und vermeintlicher Freundschaft im Herzen verblendet, erhob ein Zuschauer nach dem anderen das Wort für Isadora. Selbst manche, die zu Beginn der Verhandlung sicher mit der Verurteilung gerechnet und diese noch begrüßt hatten, wendeten sich nun vom klaren Pfade der Gerechtigkeit ab und sprachen wohlfeil im Sinne der Beschuldigten. Die eigentlichen Beweise, die von ihr selbst niedergeschriebenen Erlebnisse, die eine Schuld doch so nahe legten, all dies fand keine Beachtung.
Die Gemeinen ähneln sich häufig in einem Aspekt ihres Denkens, nämlich dem, das Große
und Ganze in dieser Welt nicht erblicken zu wollen oder zu können, da sie diesem für ihr Leben im Grunde auch nicht bedürfen. Der Wunsch nach Frieden, den wir alle in uns tragen, gebiert aus einer solchen einfachen Sicht auf die Dinge allzu oft einen zu gutmütigen Schluss über alles Schlechte und Üble. Und so ist es erstrebenswerter für manche, sich willfährig blenden zu lassen von oberflächlichen Dingen die einfach erscheinen. Und hier erschein es ihnen einfach, wer will es ihnen verdenken. Eine junge Frau, lange Jahre an ihrer Seite im Lager und der Schlacht, eine Freundin für viele gar saß hier in Tränen vor dem Tribunal. Sie wollten nicht länger eine Täterin sehen, eine Gesetzesbrecherin vor den Göttern. Sie wollten Isadora sehen, die hilflose junge Frau welcher nichts geringeres als der Tot drohte, ein vermeintlich ungerechter Tod. Und sie erhoben ihre Stimme und weinten verzweifelte Tränen mit der Verdammten.
Auch mich ergriffen in dieser Stunde Zweifel. Nicht jedoch was die Schuld anbelangte, nein, diese war erwiesen. Wer das Recht kennen und auch nach ihm sprechen muss, dem ist bewusst, dass häufig die Empfindungen von einzelnen und zu manchen Zeiten ganzer Massen nicht dem entsprechen, was richtig und vor den Göttern heilig ist. In solchen Fällen ist es eminent, die Beweise so offenkundig darzulegen, dass zumindest jenen, die nicht in jeder Faser ihres Denkens abgeneigt sind, die Wahrheit offenbar wird. Und nun sehr ihr, dass auch ich mich darauf verstehe, meine Fehler zu erkennen und zu gestehen. Denn zum Ende der Verhandlung erschien es mir nicht möglich, die Einsicht der Wahrheit in den Verstand des Auditoriums zu bringen. Hier habe ich in gewisser Weise versagt und senke demütig mein Haupt vor der Gerechten, denn vor ihr muss ich Abbitte leisten.
Den Richtspruch zu Isodaros verderben aber konnte ich nicht leisten, denn wenn es mir nicht möglich ist, die Worte zu finden mit denen aufgezeigt wird, dass Recht und Gerechtigkeit in Einklag das unabwendbare verlangen, so muss ich eingestehen, dass das Zünglein an der Waage wohl nicht von uns aufgedeckt worden war. Und so musste ich schweren Herzens Kund tun, dass eine Schuld nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden konnte. Denn dies ist, was den Gelehrten vom Gemeinen scheidet, dass er sich nicht von seiner Überzeugung treiben lässt sondern allein das Beweisbare bei seinem Urteil einbezieht. Welche Beweggründe die anderen beiden Richter hatten vermag ich nicht zu benennen. Doch auch sie konnten oder wollten das Urteil nicht fällen. Und so musste das erste Tribunal der Eisernen Faust bekennen, dass ein Ratspruch durch Menschen nicht zu erreichen sei.
Nun begab es sich jedoch, dass der Freiherr Liam, weitsichtig wie seine Position es verlangt, nach den Soliten geschickt hatte, auf dass diese, wenn auch nicht direkt mit den Belangen der Faust verwoben, ihre Weisheit und Künste einsetzen mochten um der Wahrheitsfindung zu dienen. Er stellte daher Isadora vor die Wahl, sich einer Probe der Priester zu unterziehen um nach einem möglichen Bestehen die Sicherheit zu erhalten, auch des letzten Anklagepunktes entledigt zu sein. Hochmütig willigte die noch immer nicht freigesprochene ein und keine Zeit wurde verschwendet, alles für diese Prüfung zu bereiten. Außerhalb der Stadtgrenze auf grünem Felde wurde ein Scheiterhaufen errichtet und Isadora dort hingeführt. Ein letztes Mal trat ich an sie heran und versicherte ihr, dass dem Recht nun endlich genüge getan werden solle. Sie aber, voll der Verachtung für Stand und Würde spottete meiner und so blieb es nur,
mich abzuwenden und als Zuschauer zu betrachten, wie das Schicksal seinen Lauf nahm. Als ich mich erneut der Menge näherte sah ich, was das Volk bewegte. Manche von jenen die sich hatten beschwatzen lassen waren in freudiger Erwartung, andere harrten gramvoll aus und hofften noch, das Feuer der Gerechtigkeit würde das Ganze bald beenden.
Ein Gesicht jedoch war unbewegt und wenn ihr mich fragt lag auch ein Zug von bitterer Traurigkeit in ihm. Von den Soliten war niemand anderes als Andreus Silberschild gesandt worden um Isadora dieser letzten Prüfung zu unterziehen. Jener tapfere Kampfgefährte Hirschfurtens vergangener Schlachten in den fernen Landen Mythodeas. Unser Gruß war kurz, denn er musste weiter, wollte er diese Angelegenheit hinter sich bringen. Und er wollte es hinter sich bringen, dass erkannte man an seinem Gebar nur allzu deutlich. So kam es also zu der alles entscheidenden Probe die erweisen sollte ob der Funke Ingnis wie man es auf Mythodea nennt, das Feuer des Lebens selbst, noch in Isadora bestand hatte und sie damit unbestritten ein lebendiger Mensch war, oder aber ob er verloschen war und sie damit nicht länger zu uns gehörte. Stieg sie unverbrannt vom Scheiterhaufen, so sollte sie frei sein. Verschlangen jedoch die Flammen ihren Körper, so war unumstößlich bewiesen, dass die
Kreatur einen Frevel an allen göttlichen Mächten darstellte und ihre Existenz vom Angesicht der Welt schwinden musste.
Bange Minuten des Schweigens drückten die Menge. Dann aber geschah was manche nicht
für möglich und andere für unumgänglich gehalten hatten. Andreus wandte sich ab und schritt weit aus um das Geschehen zu verlassen. Hinter ihm begann die Verurteilte zu schreien. Erst in schierem Unglauben, denn sicher war sie sich ihrer Sache gewesen. Dann leckten die Flammen an ihrem Leib empor und Entsetzen ergriff das Wesen, welches so willfährig auf seine eigene Henkersbank gestiegen war. Entsetzen und Schmerz hallten weit über die Grünen Felder Beringens, die wie zum Hohn über jene die dort der Flammen Nahrung wurde, bereits in tiefen Schatten der nahenden Nacht lagen. Manche verloren die Fassung, konnten nicht glauben was sie da sahen und die Schreie nicht ertragen die ihnen bis ins Mark drangen. Andere wandten sich ab um die Marter nicht mit ansehen zu müssen. Denn es ist grausam ein solches Werk vollbracht zu sehen. Grausamer als die Schrecken des Schlachtfeldes oder die Taten des Feindes im Krieg. Und doch notwendig, denn nicht die Menschen hatten dieses Urteil gesprochen sondern die Götter, die Elemente Mythodeas hatten über das Ende der Frevlerin entschieden. So sah ich zu, wie Isadora, oder das was sie in den letzten Jahren ihrer
unheiligen Existenz gewesen sein mochte, langsam zu grauer Asche zerfiel und hohe
Flammen in den finsteren Himmel aufstiegen.
Wenn ich zurück denke, so höre ich noch beim Verfassen dieser Zeilen das Hallen ihrer
Schreie auf dem tränenbenetzten Feld. Ich sehe vor meinen Augen die fahlen Gesichter jener, die hernach keine Worte fanden um das Erlebte zu benennen. Und wenn ich mich dieses Tages besinne, so fühle ich weder Genugtuung noch Zufriedenheit. Einzig der göttlichen Ordnung wurde genüge getan und dieser Umstand sollte uns alle Hoffnung lehren. Hoffnung, dass auch jene Frieden finden können, die auf ihren Irrwegen von Pfad der Gerechten abkommen. Isadora hat nun den Frieden gefunden, der ihr im Leben nicht beschieden war. Seit jeher hatte sie die allumfassende Ordnung abgelehnt und sich nicht mit der ihr zugedachten Rolle abfinden wollen. Sie hätte diesem Weg aber nicht bis an sein bitteres Ende folgen müssen. War nicht Ihre Aufnahme im Verbund der Faust das beste und leuchtendes Beispiel dafür, dass auch gestrauchelte Existenzen wieder mit einem Platz im Gefüge der Welt rechnen durften, wenn sie sich nur anständig betrugen. Sie aber stieß die Gnade zurück die ihr zuteilwerden sollte und entschied sich, weiterhin Frevel an Herrschaft und göttlicher Ordnung zu üben.
Ihr seht, die Ereignisse jener Tage haben ihren Platz in meinen Gedanken gefunden und lange werde ich mich dessen erinnern. Nicht Kummer ist es was mich umtreibt, doch ein gewisser Gram nagt an mir, dies will ich nicht verhehlen. Im Vorigen schreibe ich Euch von Hoffnung auf göttliches Wirken. Diese Hoffnung ist ungetrübt, das wohl. Denn mit einem leuchtenden Fanal wurde uns allen ein Weg gewiesen, an dessen Rändern Verderben liegt. Und schnell kommt der Wankende von seinem Pfade ab und fällt Verrat und Sünde anheim. So sind wir alle angehalten, rechtschaffend unsere Rolle im großen Spiel der Götter nach bestem Können auszuführen. Für die Zukunft gelobe ich Euch daher, kühn dem Namen meines Hauses höchste Ehre zu erringen. Was die Vergangenheit angeht so reut mich nur eines, und dies ist was mich grämt: Dass es nicht an mir war dieses Urteil zu fällen.
Auf bald mein alter Freund
Ulrich, Ritter zu Hirschfurten